PROFINET - Stackeinbindung oder Gateway ?

PROFINET steht für Process Field Network und ist der offene Industrial Ethernet-Standard der Organisation „Profibus & Profinet International“ für die Automatisierung. Dabei werden TCP/IP und IT-Standards genutzt. Des Weiteren ist es RT-Ethernet-fähig und die Integration von Feldbus-Systemen wird ermöglicht. Aufgrund des modularen Aufbaus des PROFINET-Konzeptes kann der Anwender die Funktionalität entsprechend seiner Anforderungen wählen.

Stack oder fertige Kommunikationshardware - Welcher Weg zu Profinet sollte gewählt werden?

Zunächst ist es notwendig, die eigenen Ansprüche und Mittel zu analysieren, um entscheiden zu können, welcher Weg genutzt werden sollte. Es sollte sich darüber Gedanken gemacht werden, welche Profinet Funktionalität beziehungsweise Performance benötigt wird, ob zusätzliche Ethernet Funktionen notwendig sind und welche weiteren Kommunikationsstandards unterstützt werden sollen. Des Weiteren ist es wichtig, die Flexibilität, Zukunftssicherheit, die Stückzahl und das Entwicklungsrisiko zu berücksichtigen. Je nachdem, welche Ansprüche erfüllt werden sollen, lässt sich Profinet in drei unterschiedlichen Conformance-Klassen unterteilen. Außerdem ergeben sich drei verschiedene Möglichkeiten der Implementierung. Zum einen können neue Hard- und Software komplett entwickelt werden. Zum anderen können Hard- und Software teilweise oder komplett von anderen Lieferanten hinzugekauft werden.

Der Protokollstack von PROFINET

Es gibt mehrere Möglichkeiten ein Gerät direkt mit PROFINET auszustatten. Da alle Vorgehensweisen Vor- und Nachteile besitzen, sollte man bereits am Anfang des Projekts genau eruieren,  welche Vorgehensweise die geeignetste ist.

Die offensichtlichste Variante ist, dass man den PROFINET Stack selbst entwickelt und in seine Applikation implementiert. Durch den eigenen PROFINET Stack entsteht eine Flexibilität für besondere Anforderungen, sodass eine Implementierung gerätespezifischer Funktionen ermöglicht werden kann. Zudem entstehen keine Lizenzgebühren für die Nutzung des Stacks und die Performance des Stacks kann während der Entwicklung beeinflusst werden. Somit ist es auch möglich den Stack in mehreren Gerätefamilien ohne Neuentwicklung wiederzuverwenden. Ein Nachteil bei der eigenen Stack-Entwicklung ist, dass die Komplexität des PROFINET Stack ein hohes Maß an technischem Expertise fordert. Die Entwicklungzeit für einen PROFINET-Stack kann mehrere Jahre betragen.

Die zweite Möglichkeit ist der Zukauf eines fertigen PROFINET Stacks, wodurch der Support und die Pflege durch den Lieferanten angeboten werden und keine aufwendige Stack-Entwicklung notwendig ist. Jedoch ist dieser Stack allgemeiner und komplett, wodurch besondere Wünsche nicht so stark beachtet werden können. Gegebenenfalls kann auch eine zusätzliche Hardware-Entwicklung von Nöten sein, um den Stack in bestehende Hardware zu implementieren. Empfohlen werden diese Stacks, wenn bereits Ethernet-fähige Hardware vorhanden ist und das Time-to-Market wichtig ist.

Die dritte Möglichkeit ist der Zukauf eines Chips bzw. Prozessors samt integriertem PROFINET Stack. Der Markt bietet unterschiedliche Varianten an. Es gibt reine Kommunikations-Prozessoren, die rein - wie der Name schon sagt - ausschließlich für die PROFINET Kommunikation zuständig sind. Deweiteren gibt es auch Prozessoren wie die Sitara Prozessorfamilie von Texas Instruments, die Kommunikation und Applikation auf einem einzigen Prozessor unterbringen. Zweitere haben den Vorteil, dass der Hardwarefootprint kleiner ist und  Hardwarekosten aufgrund nicht benötigter FPGAs oder Asics geringer ausfallen.

Das Profinet-Gateway

Das Profinet-Gateway wird verwendet, wenn nur eine geringe Stückzahl notwendig ist. Außerdem ist die Verwendung sehr vorteilhaft, wenn eine schnelle Kommunikationslösung benötigt wird. Somit ist es der schnellste und einfachste Weg zu Profinet. Weitere Vorteile dieses Gateways sind, dass keine Produktentwicklung notwendig ist und das System getestet und zertifiziert ist. Jedoch ist das Gerät nicht sichtbar und muss konfiguriert werden, damit es exakt funktioniert. Des Weiteren können gegebenenfalls eine limitierte Profinet-Funktionalität und eine geringere Performance zum Beispiel beim Datendurchsatz oder der Zykluszeit vorliegen.

Verwendung von einbaufertigen Modulen

Außer dem Gateway gibt es auch noch die Möglichkeit, einbaufertige Module zu verwenden. Der Vorteil von diesen bietet sich in der kompletten Hard- und Softwareimplementierung und der Netzwerkoffenheit, durch die eine Multi-Netzwerk-Anbindung ermöglicht wird. Durch die integrierte Lösung wird ein spezifischer Formfaktor ermöglicht. Empfohlen werden diese einbaufertigen Module vor allem für niedrige bis mittelgroße Stückzahlen. Es sind zwar auch Modelle für große Stückzahlen vorhanden, jedoch kann für diese der Preis pro Schnittstelle gegebenenfalls zu hoch sein.  Ein weiterer Nachteil dieser Module besteht darin, dass die Performance für IRT & Sync eventuell problematisch sein kann.

Chip-Lösung

Als weiterer Weg zu Profinet bietet sich eine Chip-Lösung mit integriertem Profinet. Bei dem µ-Controller besteht der Vorteil darin, dass der Profinet-Stack bereits integriert ist und eine Anpassung an die Geräteanforderungen ermöglicht wird. Je nach der verwendeten Hardware kann zudem eine hohe Performance erzielt werden. Jedoch ist eine Hardware-Entwicklung erforderlich. Außerdem ist der Preis für µ-Controller mit Profinet höher als für Standard µ-Controller. Verwendet kann die Chip-Lösung bei mittlerer bis hoher Stückzahl werden.

Komplette Hardware-Implementierung

Die komplette Hardware-Implementierung bietet sich vor allem bei großen Stückzahlen an, bei denen das Gerät einem großen Preisdruck unterliegt, da eine gute Kostenkontrolle ermöglicht wird. Entsprechend der benötigten Anforderungen können die am besten geeigneten Komponenten gewählt werden, sodass eine hohe Performance ermöglicht werden kann. Jedoch muss beachtet werden, dass eine hohe Expertise erforderlich ist und die Entwicklung und Pflege sehr viel Zeit, Arbeit und Kosten in Anspruch nimmt.

Zukauf oder Entwicklung – was ist die bessere Wahl?

Ob der Weg eines Zukaufes gewählt wird oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen kommt es auf die Anforderungen des Kunden an. Sind diese zu speziell, sollte zu einer Entwicklung gegriffen werden. Des Weiteren ist der Zielpreis für das Gerät und das vorhandene Budget für die Entwicklung entscheidend. Auch wie schnell das Gerät einsatzfähig sein soll und welches Vorwissen vorliegt, beeinflusst die Entscheidung. Es muss beachtet werden, dass je spezieller die Entwicklung ist, umso größer die notwendige Expertise, sowie der Zeit- und Kostenfaktor, ist.